Rede von Ferdi Buffen auf dem Weuthen-Tag
Aktuelle Situation und Markteinschätzung für die Ernte 2017
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
viel früher als erwartet ist am Kartoffelmarkt Ernüchterung eingetreten:
- Die Kunden der Verarbeitungsindustrien haben bisher nicht vom niedrigen Rohstoffpreis profitieren können und nehmen derzeit nur Vertragskartoffeln ab. Auf der anderen Seiten kennen die Pommes Einkäufer in der ganzen Welt wohl die aktuellen Notierungen und Terminmarktpreise. Dadurch kommt der Markt viel früher unter Druck als man es sich wünscht.
- Aber auch die Landwirtschaft ist unzufrieden. Hohe Kosten für Beregnung steht eine verzögerte Abnahme gegenüber. Dazu ein Markt ohne Nachfrage nach freier Ware und dadurch sinkende Notierungen.
In den letzten beiden Jahren war die verarbeitende Industrie das Zugpferd für den gesamten Markt!
Davon haben die gesamte Kartoffelwirtschaft und die vor- und nachgelagerten Branchen, wie z.B. Agrartechnik, Hallenbauer, Logistiker, die Landwirtschaft und vor allem auch die Verpächter profitiert.
Aussagen wie „the sky ist the limit“ oder Publikationen von immer neuen Verarbeitungsrekorden der europäischen Verarbeiter und niedrige Preise bei den Wettbewerbkulturen haben einen „Kartoffelhype“ ausgelöst. Die Anbaufläche der Ernte 2017 wurde in allen wichtigen Anbauregionen nochmal um 4-5 % ausgedehnt.
Die Ernte 2016 wurde zu sehr auskömmlichen Preisen vermarktet. Trotzdem wurden die letzten alterntigen Speise.- und Veredelungskartoffeln erst im August verarbeitet.
Auch dies hat dazu geführt das sowohl für die Speisefrühkartoffeln als auch für Verarbeitungsrohstoff der Markt anders verlief als erwartet und erhofft. Bei der derzeitigen Perspektive auf dem Terminmarkt scheinen dabei die Frühkartoffelanbauer noch mit einem blauen Auge davon gekommen zu sein. Die Vertragsdeckung war hoch und die Vermarktung ist historisch weit fortgeschritten.
Was ist passiert? Wie konnte der Markt innerhalb von 30 Tagen kollabieren?
- In vermeintlich knappen Jahren wird extreme Rohstoffschonung betrieben. Jeder verfügbare Rohstoff – auch mit erhebliche Qualitätsmängeln- wurde verwertet.
- In riesigem Umfang wurde Doppelnutzungssorten in den hungrigen Werken zu guten Produkten veredelt.
- Es wurden nennenswerte Mengen Kartoffeln aus Polen importiert!
- Es wurde Anbau in Bordeaux, Italien, Spanien und in den deutschen Frühgebieten stimuliert.
- Die verarbeitende Industrie stimulierte mit sehr guten Vertragspreisen eine Anbauausdehnung in den wichtigsten Regionen.
- Die großen europäischen Supermarktketten deckten sich aufgrund der doch so knappen Speisekartoffelernte in Nordafrika und Südeuropa ein. Neben einer Anbauausdehnung in den traditionellen Importländern gab es auch dort gute Erträge. Unerwartet hohe Lagerbestände in Frankreich setzen schon Ende Mai den ohnehin an Absatzvolumen weiter abnehmenden Markt unter Druck. Die von den Ketten geforderte Regionalität wurde über Bord geworfen und selbst im August noch israelische Kartoffeln im LEH beworben.
- Trotz guter Verkaufsmöglichkeiten der Verarbeitungsindustrie sorgten Anfang Juli erhebliche Restmengen für einem um 1 Woche verzögerten Markteinstieg. Die Nachtfröste von Ende April und die extreme Trockenheit – vor allem in Westflandern und Nordfrankreich- ließen uns dies jedoch zunächst gelassen beobachten. Der Terminmarkt 18 der am 19. Juni € 20,40 notierte ließ uns auf ein drittes Kartoffeljahr mit hohen Preisen hoffen.
- Aber nicht überall waren die Wachstumsbedingungen schlecht. Der Norden von Deutschland und Holland war über die gesamte Wachstumsperiode ausreichend mit Wasser versorgt. Die gute Bodenstruktur auf den anderen Standorten ließen die Pflanzen trotz Wassermangel vital bleiben!
- Dann setzte ab Ende Juli ausreichender Niederschlag in allen Gebieten ein!
So kam es zu dem was heute Realität ist!
Die derzeitige Notierung von 14,00 € für Speisekartoffeln, bei Exportkartoffeln von 10,00 € und bei Veredelungskartoffeln von 3,00 – 6 ,00 € sind sicher Besorgnis erregend.
Trotzdem gilt es dies zu relativeren. Die Vertragsdeckung ist historisch hoch, so dass die ha Erlöse besser sind als es die Notierungen vermuten lassen.
Eine Terminmarktnotierung April 2018 von 7,00 € lässt uns derzeit nicht positiv in die Zukunft schauen.
Auch wenn nur wenig zu den aktuellen Tagespreisen gehandelt wird, werden nicht die auskömmlichen Vertragspreise, sondern Notierungen und Terminmärkte über die Medien publiziert. Neben den Großeinkäufern der europäischen Supermarktketten erkundigen sich auch die globalen Pommes Frites Kunden über die digitalen Medien über die aktuellen Kurse.
So arbeiten die Medien, die wir alle in positiven Märkten als Argument und Verkaufshilfe nutzen, derzeit gegen uns.
Trotzdem gibt es auch Lichtpunkte am Horizont:
- Die Vermarktung der frühen Veredelungssorten ist weitgehend abgeschlossen.
- Die Sorten Premiere, Amora und Sinora bestätigten wieder einmal ihre sichere frühe, hervorragende Verarbeitungseignung.
- Frühe Spezialsorten wie Zorba, Innovator, Lady Rosetta sind ebenfalls planmäßig abgeflossen und schon Mitte Juli mit hervorragenden Ergebnissen verarbeitet worden.
- Die Abrufe der Verarbeitungsindustrie laufen derzeit planmäßig.
- Es sieht derzeit danach aus, dass die Stärkeindustrie, wie 2014, das Absatzventil sein kann. Es sind in den letzten Wochen bereits nennenswerte Mengen dorthin abgeflossen.
- Niedrige Rohstoffpreise bieten den europäischen Verarbeiter- trotz derzeit etwas ungünstigem € / Dollar Verhältnis- Chancen in der ganzen Welt.
- Wir sind gegenüber den Wettbewerbern in Nordamerika sehr wettbewerbsfähig.
- Niedrige Preise bieten auch den Exporteuren Chancen in Süd- und Südosteuropa.
- Auch wenn derzeit noch nicht alle neuen Produktionskapazitäten voll ausschöpft sind, der weltweite Bedarf an Kartoffelprodukten wird weiter steigen.
Die Haupternte stellt sich unserer Meinung nach wie folgt dar:
Die meisten Speisekartoffelbestände sind bereits Reife gefördert und stehen in den kommenden Wochen zur Einlagerung an. Die Qualitäten sind im Rheinland gut. Die extremen Niederschläge in Ostniedersachsen bereiten den Marktbeteiligten dort Sorgen. Offene Lentizellen, Nassfäule und andere mit Staunässe einhergehende Probleme lassen z.T. an der Lagereignung und der Vermarktungsfähigkeit zweifeln.
Derzeit gibt es im Markt einen Überhang festkochender Sorten.
Die sich in unserem Vertrieb befindlichen Speisekartoffelsorten Anais, Annabelle, Jazzy, Loreley, Malika, Musica, Melody und Ranomi zeigen durchweg gute Qualitäten und hohe Erträge. Von allen genannten Sorten können sie sich neben vielen anderen auf den Versuchsparzellen der Züchter ein Bild machen und weitere Informationen erfragen.
Von der sehr schmackhaften, festkochende Sorte Loreley haben wir für sie im Weuthen Pavillion und beim Züchter Agrico Kochproben bereit gestellt.
Des Weiteren stellen wir veredelte Speisekartoffelprodukte von unseren namhaften Abnehmern aus. Vielen Dank an dieser Stelle für die Unterstützung unserer Abnehmer.
Für die Verarbeitungssorten liegen eigene und von Fabriken getätigte, aussagefähige Proberodungen aus allen wichtigen Anbauregionen vor. Wir erwarten auf fast allen Standorten überdurchschnittliche Erträge, hervorragende Übergrößenanteile und gute Verarbeitungsqualitäten. Auch in Belgien und Nordfrankreich haben die Haupterntesorten gut zugelegt. In der Gesamtbetrachtung reichen die Erträge jedoch bisher noch nicht an das Jahr 2014 heran!
Aber auch die Qualitäten bereiten in einigen Regionen noch Sorgen. So finden wir in den NL und Belgien sehr viele Partien mit Durchwuchs, vor allem bei der Sorte Bintje. Was letztendlich an verfügbaren Rohstoff hieraus wächst ist heute noch nicht absehbar.
In den Hauptsorten finden wir vereinzelt noch fehlendes UWG und manchmal auch Hohlherzigkeit. Es wird jetzt zeitnah die Qualitätssicherung durch Reifeförderung erfolgen. Bei den vitalen Bestände ist eine ausreichende Wartezeit bis zum Roden unbedingt erforderlich.
Unsere Schwerpunktsorten Agria, Challenger, Fontane, Horizon, Innovator und Markies zeigen gute Erträge. Noch im Aufbau befindliche Sorten und Newcomer wie z.B. Austin, Lady-Anna, Marvel, Orwell, Brooke; Gerona und Royal zeigen gute Ergebnisse und bestätigen die in sie gesetzten Erwartungen. Die Sorte Arsenal besticht derzeit nicht nur durch ihre sehr gefragten vollen Resistenzen, sondern auch durch tolle Püree- Pommes- und Chipsqualität.
Besonders auf den Kleiböden in den Poldergebieten zeichnet sich eine gute Ernte ab. Dies trifft auch auf GB und Polen zu.
In Südosteuropa, in Italien und auch in Österreich sind die Erträge aufgrund von Frostschäden und dann folgender Trockenheit nur mäßig. Zudem bereiten Durchwuchs und Hohlherzigkeit auch dort Probleme.
Was können wir in den kommenden Monaten erwarten?
Zunächst gilt es die vermeintlich große Ernte in der entsprechenden Qualität zu bergen. Die Erfahrungen mit extremer Nässe oder Trockenheit aus den Vorjahren sollten uns noch in Erinnerung sein.
Die entsprechende innovative Technik zur Bewältigung dieser Herausforderungen können sie heute hier im Einsatz sehen.
Bei sehr niedrigen Preisen und mangelnden Perspektiven für Notgelagerte Partien werden voraussichtlich in den kommenden Monaten erhebliche Mengen in alternative Verwertungen wie Flocken, Stärke oder Futtertrog vermarktet.
Die Verarbeitungsindustrie hat erhebliche Kapazitäten geschaffen und wird versuchen diese bei günstigem Rohstoff auch entsprechend auszulasten. Wir sind sehr wettbewerbsfähig und haben bei voller Auslastung auch entsprechenden extra Rohstoffbedarf.
Die traditionellen Exportmärkte für Frischkartoffeln werden sich bei günstigeren Preisen hoffentlich früh öffnen. Es ist jedoch damit zu rechnen, dass um diese Absatzmengen ein harter Wettbewerb herrschen wird.
Den weiter sinkenden Absatzmengen im Speisemarkt gilt es weiter mit hervorragenden Qualitäten, kreativen Verpackungen, Regionalität und entsprechende Marktpflege entgegen zu treten.
Pflanzkartoffeln
Bei Pflanzkartoffeln erwarten wir eine gute Ernte mit guten Qualitäten. Die Sortierausbeute wird in einigen Sorten und aus einigen Vermehrungsregionen nicht optimal sein. Wir erwarten für das kommenden Anbaujahr aber eine ausreichende Verfügbarkeit aller Sorten.
Über evtl. Neuigkeiten aus den europäischen Zuchtgärten können sie sich draußen auf dem Versuchsfeld erkundigen.
Ernte- und Preisprognose
Vorbehaltlich das die komplette Ernte gerodet werden kann erwarten wir :
- In Deutschland: 11,00 - 11,50 Mio. To
- In den EU 5: 27,50 – 28,50 Mio. To
- In EU 15: 44,00 - 45,00 Mio. To
Diese Prognose kommt für die Marktbeteiligten nicht überraschend.
Aber wir wissen auch aus langjähriger Erfahrung, dass bei Kartoffeln spätestens im Juli 2018 die neue Saison beginnt und die Ernte 17 verschwunden sein wird.
Welche Preiskurve können wir also erwarten?
Speisekartoffeln:
Die Preise werden in den kommenden Wochen und zur Einlagerungsphase jahreszeitlich bedingt unter Druck bleiben. Für den hiesigen Markt erwarten wir während der Ernte Preise um 10,00 €.
Entsprechende Marktdisziplin vorausgesetzt, erwarten wir im Laufe des Jahres für Lieferung an die Abpackbetriebe entsprechende Aufschläge für die Lagerung in Kisten und Kühlung. Diese erwarten wir in der Spitze der Notierungen zwischen 14,00 bis 16,00 €.
Die Exportmärkte werden vermutlich die ganze Saison 2-4 € darunter sein. Ansonsten werden Andere diese Märkte bedienen.
Für Drillinge erwarten wir eine gute Nachfrage. Übergrößen- auch aus Pflanzgutproduktionen- werden reichlich verfügbar sein.
Verarbeitungsmarkt:
Zunächst gilt es nochmals festzustellen, dass die Landwirtschaft für die laufende Ernte eine historisch hohe Vertragsdeckung hat! Wir reden sehr viele über die aktuell niedrigen Notierungen, obwohl kaum freie Ware gehandelt wird.
Am verbleibendem kleinen freien Verarbeitungsmarkt erwarten wir bis Mitte November keine große Nachfrage. Daher werden die Notierungen weiter nachgeben, wobei nach unten kaum noch Platz ist. Im September /Oktober erwarten wir Preise von 3,00 -5,00 €. Auch die „Premiumsorten“ werden wenig Aufschläge erzielen.
Bei diesem Preisniveau können Kartoffeln in die Stärkeindustrie abfließen, so dass hoffentlich Ende November das Schlimmste überstanden ist. Doch auch aus der Lagerung erwarten wir keine kostendeckende Preise.
Wir rechnen mit Preisen von 7,00 -10,00 € für die Periode Januar bis Juni, wobei zum Ende der Saison der Markt noch ganz anders verlaufen könnte wie wir es heute vermuten. Verspätete Auspflanzungen, Anbaueinschränkungen und unvorhergesehene Wettereinflüsse haben uns dies in der Vergangenheit des Öfteren gelehrt.
Bis zum Jahresende erwarten wir wenig Preissteigerungen zum heutigen Niveau, weil sehr lange aus dem Feld gerodet werden wird. Danach stehen dann Notlagerungen zur Vermarktung an.
Was erwarten wir für das Jahr 2018?
Die diesjährige Ernte wird Einfluss auf das Anbauverhalten 2018 haben.
Aus heutiger Sicht wird der Bedarf anh frühen Verarbeitungssorten im kommenden Jahr später einsetzen. Daher werden sich viele Anbauer die Frage stellen ob der erhöhte Aufwand durch Vorkeimen im nächsten Jahr überhaupt noch lohnt. Wir als rheinische Region sollten jedoch unsere Trümpfe nicht freiwillig aus der Hand geben.
Auch der überhitze Pachtmarkt wird hoffentlich eine Verschnaufpause einlegen.
Die alternativen Ackerkulturen stehen unter Druck. Daher bleibt das Interesse am Kartoffelanbau ungebrochen.
Die Landwirtschaft und die Kartoffelwirtschaft muss und wird sich den Herausforderungen des Marktes stellen. Die rheinische Region wird weiter versuchen, ihren Vorsprung durch Produktionssicherheit und hohe Beregnungsintensität zu behalten.
Randstandorte und frachtferne Anbauregionen werden es im kommenden Jahr wieder schwerer haben.
Im Gegensatz zu den letzten beiden Jahren herrscht heute eine negative Grundstimmung. Es hatte in den letzten Jahren den Anschein, dass es bei den Frischkartoffeln, Chips und Pommes Frites von selbst geht. Dies ist sicher für die kommende Ernte nicht der Fall.
Profis bieten sich jedoch in jedem Marktumfeld Chancen. Der Markt kann manchmal sehr grausam sein. Aber letztendlich wird er es regeln!
In diesem Sinne wünscht das Team des Hauses Weuthen und aller RWZ Kartoffeltöchter heute gute und interessante Gespräche, viel Energie für die Bewältigung der laufenden Saison und weiter gute fruchtbare Zusammenarbeit.,
Schwalmtal, den 31.08.2017 Ferdi Buffen