Analyse: Bären wittern Morgenluft am Maismarkt
Analysten rechnen mit deutlich besseren Maisernten weltweit im kommenden Wirtschaftsjahr 2023/24. Auch die globalen Vorräte wachsen. Während der europäische Markt aktuell noch nicht so stark nachgibt, rechnen hiesige Händler für die neue Saison mit Preisdruck. Neben der Nachfrage Chinas ist auch der Fortbestand des Getreidekorridors entscheidend für die weitere Preisentwicklung.
Die globale Maisbilanz 2023/24 lässt aktuellen Prognosen zufolge kaum Luft für Preissprünge nach oben: Das US-Agrarministerium (USDA) rechnet in seinem weltweiten Marktbericht WASDE mit 1,22 Mrd. t Mais, die im kommenden Wirtschaftsjahr erzeugt werden. Das wäre ein deutlicher Anstieg im Vergleich zur laufenden Saison (Produktion: 1,15 Mrd. t). Angesichts der hohen Erzeugung erwarten die USDA-Experten zudem einen deutlichen Anstieg der Endbestände 2023/24 auf knapp 313 (Vorjahr: 297) Mio. t. Erfüllt sich die Prognose, würde selbst im Vergleich zum produktionsstarken Wirtschaftsjahr 2021/22 ein Aufbau der Vorräte um rund 5 Mio. t zu Buche schlagen.
Von „sehr erdrückenden Zahlen“ für den Maismarkt im jüngsten USDA-Report spricht passend dazu Florian Rasche, Geschäftsbereichsleiter Getreidehandel bei der HaGe Kiel, die ab 1. Juni unter dem Namen Team Agrar am deutschen Markt aktiv sein wird. Die Prognose des US-Agrarministeriums hält Rasche für realistisch: In Südamerika, vor allem Argentinien, werde sich die Produktion nach den dürrebedingten Rückgängen in der laufenden Kampagne erholen: Das USDA rechnet entsprechend mit 54 Mio. t Mais aus Argentinien 2024 nach einer Ernte von nur 37 Mio. t im laufenden Wirtschaftsjahr. Zudem verweist Rasche auf geplante Flächenausdehnungen in Brasilien zur neuen Kampagne.
Hohes Aussaattempo erforderlich
Dem HaGe-Experten zufolge verläuft auch die Maisaussaat in den USA derzeit „vielversprechend“. Dies würde die hohen Ertragserwartungen zu dem jetzigen, frühen Zeitpunkt rechtfertigen. Das US-Agrarministerium rechnet damit, dass Landwirte in den Vereinigten Staaten rund 388 Mio. t Mais einfahren werden, das wären 40 Mio. t mehr als im Vorjahr. Damit würden US-Erzeuger, bedingt durch eine Ausdehnung der Anbaufläche und steigende Erträge, einen neuen Produktionsrekord aufstellen. Allerdings ist die Prognose noch mit leichten Unsicherheiten behaftet: Damit die Rekordmaisernte in den USA trotz Trockenheit im Maisanbaugebiet eintritt, ist nach Einschätzung von Rabobank-Analyst Dennis Voznesenski ein rasches Aussaattempo entscheidend.
HaGe-Getreideexperte Florian Rasche beobachtet unterdessen derzeit keinen deutlichen Preisdruck am europäischen Maismarkt. Die schlechte Ernte 2022 auf dem Balkan sowie die erschwerte Abwicklung von ukrainischen Maislieferungen „durch einige osteuropäische Länder“ sorge aktuell dafür, dass „Mais nicht mehr das mit Abstand günstigste Futtergetreide ist“, so Rasche. Aktuell würden Gerste, Roggen und Weizen eher wieder den Vorzug in den Mischungen erhalten, beobachtet er. Doch der HaGe-Manager hält es für durchaus plausibel, dass sich das Blatt im neuen Wirtschaftsjahr wendet: Sollten sich die weltweit guten Prognosen für die Maisernten bestätigen, würde dies nicht nur Druck auf den Maismarkt selbst, sondern auch auf das übrige Futtergetreide ausüben, so Rasche. Letzteres würde in der Konkurrenz um die Futtertröge wohl den Kürzeren ziehen.
EU-Kommission rechnet mit Erholung
Die EU-Kommission rechnet passend zu dieser Einschätzung mit einer Erholung der EU-Maiserzeugung 2023/24 auf 65 Mio. t nach den mageren 52,1 Mio. t im Vorjahr. In Kroatien, Rumänien und Ungarn, wo die Erzeugung 2022 besonders unter der Dürre gelitten hatte, steigt die Produktion wieder. Etwas weniger optimistisch sind die Experten des französischen Analystenhauses Tallage („Stratégie Grains“), die derzeit eine EU-Maisernte von 62,1 Mio. t für möglich halten. Produktionsrisiken sieht Tallage im dürregeplagten Spanien sowie in niederschlagsbedingten Verzögerungen der Maisaussaat im Osten der EU. Hierzulande geht der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) in seiner jüngsten Prognose für 2023 von einer Maisernte in Höhe von 3,9 (Vorjahr: 3,8) Mio. t aus, wohingegen die EU-Kommission sogar 4,2 Mio. t Mais in Deutschland für möglich hält.
Watchlist für den Maismarkt 2023/24Die wichtigsten Einflussfaktoren
|
Die Dürre in Spanien sorgt Florian Rasche zufolge bereits für eine „erhöhte Nachfrage nach Gerste und Weizen“ aus Deutschland sowie dem Baltikum. Für den Gerstenmarkt sei dies eine gute Möglichkeit, Ware zu platzieren, denn: „In Drittländer scheinen wir mit deutscher Gerste derzeit absolut nicht konkurrenzfähig zu sein“, sagt der HaGe-Experte. Allerdings hält Rasche den spanischen Markt alleine nicht für bedeutsam genug, um die Mais- oder Getreidepreise insgesamt zu stützen oder gar eine Trendwende einzuläuten: Eine Erholung Maisernte auf ein Durchschnittsniveau auf dem Balkan würde nach seiner Überzeugung ausreichen, um das Defizit am spanischen Maismarkt zu decken.
Exportüberschuss in der Ukraine schwindet
Sehr bedeutsam für die Preisentwicklung am globalen Maismarkt ist hingegen das Importverhalten Chinas. Während die Volksrepublik über weite Strecken des laufenden Wirtschaftsjahres dem zeitweise günstigeren Weizen den Vorzug gab, rechnet das USDA für die Saison 2023/24 mit einem regeren Importtempo bei Mais: China soll demnach im kommenden Wirtschaftsjahr 23 Mio. t Mais importieren, und damit 5 Mio. t mehr als 2022/23. Auch die Rabobank rechnet mit einem Anstieg der Maiskäufe durch die Volksrepublik ab dem zweiten Halbjahr 2023.
Eingetrübt sind unterdessen die Aussichten auf die Maisernte in der Ukraine, die unter normalen Bedingungen zu einem wichtigen globalen Exporteur für das Grobgetreide zählt. So rechnet die ukrainische Branchenvereinigung Ukrainian Grain Association (UGA) laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters für 2023/24 mit Maisexporten in Höhe von 19 Mio. t, nach geschätzten 27 Mio. t in der laufenden Saison. Denn die Produktion in dem kriegserschütterten Land gehe im Vorjahresvergleich um rund 6 Mio. t auf 21,1 Mio. t zurück. Doch rückläufigen Exporten aus der Ukraine steht ein deutlich höheres Ausfuhrpotenzial in Brasilien und Argentinien gegenüber. Die beiden südamerikanischen Länder sollen nach Angaben des USDA ihre Exporte um 2 Mio. t auf 55 Mio. t (Brasilien) und 15,4 Mio. t auf 40,5 Mio. t (Argentinien) steigern.
Druck aus der Ukraine auf dem Landweg könnte steigen
Für Florian Rasche von der HaGe ist ein weiterer Faktor bestimmend für die Entwicklung des Mais- und letztlich auch des übrigen Getreidemarktes 2023/24: Der Fortbestand des Getreidekorridors am Schwarzen Meer, ein Abkommen, das trotz des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine Getreidelieferungen aus der Region ermöglichen soll. Ein Ende des Korridors wäre zwar sicher bullisch für den Gesamtmarkt, sagt Rasche. Durch Getreidelieferungen aus der Region über den Landweg dürfte der Druck auf den deutschen Markt aber in einem solchen Szenario steigen.
Mehr Gastbeiträge von Stefanie Pionke:
Weizen: China nutzt fallende Preise für Hamsterkäufe
Rapsmarkt: Warum Brown Grease aus China in Europa die Preise drückt
Schwacher Euro, hohe Preise - starker Euro, schwache Preise?