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Alternative Proteine: Nischenmarkt mit Potenzial

Artikel vom  27.11.2023 14:02 Uhr von Stefanie Pionke

Der Markt für pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milchprodukten ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Einige Anbieter solcher vegetarischen und veganen Varianten von Hackfleisch, Wurst, Milch oder Joghurt sind zudem bestrebt, die Rohstoffe für die Produktion dieser Erzeugnisse aus heimischem Anbau zu beziehen. Daher stellt sich die Frage, inwiefern die Landwirtschaft in Deutschland von dem Trend zu alternativen Proteinen profitiert – und ob es sich dabei um ein beständiges Marktsegment handelt oder nur einen vorübergehenden Hype.

Der Markt für pflanzliche Alternativen zu Fleisch und Milchprodukten ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Einige Anbieter solcher vegetarischen und veganen Varianten von Hackfleisch, Wurst, Milch oder Joghurt sind zudem bestrebt, die Rohstoffe für die Produktion dieser Erzeugnisse aus heimischem Anbau zu beziehen. Daher stellt sich die Frage, inwiefern die Landwirtschaft in Deutschland von dem Trend zu alternativen Proteinen profitiert – und ob es sich dabei um ein beständiges Marktsegment handelt oder nur einen vorübergehenden Hype.

Der Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel in Europa wächst. Dies bestätigt eine Auswertung des Marktforschungsinstituts Nielsen IQ. Die Marktforscher haben die Daten von 13 europäischen Ländern für die Jahre 2020 bis 2022 analysiert. Das Ergebnis: Der Umsatz mit pflanzenbasierten Lebensmitteln in Europa ist im Zeitraum 2020 bis 2022 um 22 Prozent auf 5,7 Mrd. € gestiegen. Innerhalb Europas ist der deutsche Markt für pflanzenbasierte Lebensmittel der größte: Hier ist der Umsatz zwischen den Jahren 2020 und 2022 um 42 Prozent auf 1,91 Mrd. € nach oben geklettert. Dies spricht zumindest bislang dafür, dass der Trend robust ist.

Das spiegeln auch die Anbauzahlen hierzulande: Standen Ackerbohnen 2013 noch auf einer Fläche von 38.000 ha, waren es 2022 bereits 107.000 ha. Die Fläche mit Sojabohnen hat sich im Zeitraum 2016 bis 2021 von 16.000 auf 51.000 ha mehr als verdreifacht, wie das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BLZ) weiter unter Bezug auf Daten des Statistischen Bundesamtes feststellt. Allerdings ist der Anbau von Körnerleguminosen nach wie vor eine Nische: An der gesamten deutschen Ackerfläche von 11,66 Mio. ha im Jahr 2022 hatten Hülsenfrüchte wie Sojabohnen, Ackerbohnen oder Erbsen gerade einmal einen Anteil von 2,5 Prozent.

Politischer Rückenwind

Doch auch wenn es sich um einen Nischenmarkt handelt – politisch wird er gefördert. So will das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) die Erzeugung von Proteinpflanzen weiter steigern: Ziel der Ackerbaustrategie des BMEL ist es, den Anteil von Hülsenfrüchten an der Ackerfläche in Deutschland bis 2030 auf 10 Prozent zu erhöhen. Den Leguminosen werden in der Fruchtfolge einige positive Eigenschaften zugeschrieben: Sie können unter anderem Luftstickstoff binden, was den Bedarf an Dünger reduziert.

Zudem fördert das Bundesagrarministerium seit 2014 in verschiedenen Anbaunetzwerken die Produktion von Proteinpflanzen wie Sojabohnen, Ackerbohnen, Erbsen oder Lupinen. Außerdem kann über die gemeinsame Agrarpolitik (GAP) in der EU seit Anfang 2023 das Eco Scheme „Vielfältige Fruchtfolge mit 10 Prozent Leguminosen“ genutzt werden, bei dem jeder Hektar der Rotation mit 45 Euro gefördert wird. Mit den Eco Schemes oder auch „Öko Regelungen“ als neuem Instrument der GAP sollen Klima- und Umweltschutz in der Landwirtschaft gestärkt werden. In Deutschland fließen 23 Prozent der EU-Direktzahlungen aus der 1. Säule der GAP in Eco Schemes.

Rügenwalder pusht heimisches Soja

Auf Seiten der Lebensmittelproduzenten, die Fleisch- oder Milchersatzprodukte im Portfolio haben, sind Bestrebungen erkennbar, die Rohstoffe, die für deren Produktion benötigt werden, vermehrt aus Deutschland zu beziehen. So will der Fleischverarbeiter Rügenwalder Mühle, Pionier im Segment der veganen und vegetarischen Fleischersatzprodukte, das Soja für pflanzenbasiertes Hackfleisch oder Wurstwaren zu möglichst hohen Anteilen aus heimischer Erzeugung beziehen. Dazu wurde das Projekt „Soja made in Germany“ aus der Taufe gehoben. Nach Angaben der Rügenwalder Mühle wächst auch hier die Produktion: Wurde heimisches Soja im Rahmen von „Soja made in Germany“ im Jahr 2022 auf 200 ha angebaut, sollen es für die Ernte 2023 bereits rund 500 ha sein.

Auch der Produzent von Fleischersatzprodukten Endori aus Bayern setzt auf heimische Erbsen als Rohware. Das Tochterunternehmen bezieht die Erbsen von Landwirten aus dem Rheinland; die Lieferkette organisiert die Buir-Bliesheimer Agrargenossenschaft mit Sitz im nordrhein-westfälischen Nörvenich.

Überwiegend Importware

Für Landwirte hierzulande besteht also zumindest die Option, sich an entsprechenden Wertschöpfungsketten zu beteiligen. Doch aktuell wird nach wie vor nur ein kleiner Teil der Rohwaren aus Deutschland bezogen, sagt Klaus Martin Fischer, Partner beim auf die Ernährungswirtschaft spezialisierten Beratungsunternehmen RSM Ebner Stolz Management Consultants: „Die mengenmäßig wichtigsten Rohstoffe für Plant-Meat-Produkte sind Soja, Erbsen, Weizen sowie in Teilen auch Ackerbohnen. Die Produzenten beziehen ihre Rohstoffe nur zu geringen Teilen aus Deutschland. Überwiegend kommt die Ware aus dem EU-Ausland und aus Drittmärkten“, stellt Fischer hierzu fest.

Die Produktion von Fleischersatz in Deutschland beziffert Unternehmensberater Fischer für 2023 mit voraussichtlich rund 50.000 t bis 60.000 t. Den Proteinbedarf hierfür schätzt Fischer auf rund 10.000 t. Dafür wiederum müssten 100.000 t bis 150.000 t Rohstoff beschafft werden. Vor allem im Bereich alternative Fleischprodukte stamme der Rohstoff nur zu einem sehr geringen Anteil aus Deutschland. Hersteller von Milch und Milcherzeugnissen aus Pflanzenprotein sind da laut Fischer anders aufgestellt und würden bereits einen Großteil des benötigten Hafers für beispielsweise Haferdrinks aus deutschem Vertragsanbau beziehen.

Bei allem Wachstum des Trends für Pflanzenfleisch- und Milch gilt aber eines: Für die Landwirtinnen und Landwirte muss es sich rechnen, Ackerbohnen, Hafer, Soja oder Lupinen anzubauen. Und da sind die Hersteller gefragt. Während die Produzenten von Milchersatzprodukten hier vergleichsweise weit seien, ist vor allem im Bereich der pflanzenbasierten Fleischwaren ein attraktiver Vertragsanbau noch im Entwicklungsstadium, meint Klaus Martin Fischer von Ebner Stolz.

Kein Selbstläufer

Wie erfolgreich der Aufbau entsprechender Strukturen zum Vertragsanbau sei, hänge nicht zuletzt von den jeweils zu erzielenden Marktpreisen alternativer Feldfrüchte wie Weizen, Raps, Mais oder Gerste ab, aber auch von den spezifischen Anbaubedingungen des jeweiligen Erzeugers, so Fischer. Ebenso entscheidend seien die im Vertrag gebotenen Konditionen zu Preis, Laufzeit, Menge und weiteren Qualitätsparametern der Hersteller von Pflanzenfleisch. „Es gilt die Landwirte mit attraktiven Konditionen zu überzeugen und zu gewinnen – ein Selbstläufer ist das nicht“, bilanziert Fischer.

Die Nord LB in Hannover, die als Kreditinstitut mit Fokus auf die Agrar- und Ernährungswirtschaft den Markt für pflanzliche Fleisch- und Milchersatzprodukte begleitet, geht davon aus, dass das Segment alternative Proteine „in jedem Fall weiter wachsen wird“. Momentan machen der Leiter Firmenkunden Ernährungswirtschaft Sönke Refardt sowie seine Kolleginnen und Kollegen aus der Firmenkundenbetreuung Dr. Henning Brand-Saßen und Sarah Schneider jedoch eine kleine Delle in der Nachfrage aus: „Allerdings ist zu beachten, dass die gegenwärtig anhaltende Krisensituation dazu führt, dass der Verbraucher oder die Verbraucherin ein geringeren Anteil des Einkommens unter anderem durch die anhaltende Inflation zur Verfügung hat. Alternative Proteinprodukte als Substitute zu Fleisch- oder Milchprodukten sind teurer, weshalb die Nachfrage entsprechend gedämpfter ist“, stellen die drei Banker:innen der Nord LB hierzu fest.

Knackpunkt Geschmack

Das Ernährungswirtschaftsteam der Nord LB weist auch noch auf einen weiteren kritischen Aspekt hin: „Alternative Proteinprodukte können außerdem als Substitute geschmacklich und in ihrer Qualität zum Teil die VerbraucherInnen nicht vollends überzeugen. In den kommenden fünf Jahren ist also von weiteren Neuprodukten am Markt der alternativen Proteinprodukten auszugehen, die weniger als Substitute herkömmliche Fleisch- und Milchprodukte imitieren, sondern vielmehr als ‚wahre‘ Alternative zu fleischhaltigen Proteinprodukten wahrgenommen und entsprechend konsumiert werden.“ Zudem werde die Nachfrage stärker aus dem Milchbereich getrieben werden, denn der Markt für Hafer- oder Sojadrinks habe sich mittlerweile zum „Standardmarkt“ entwickelt.   

Im Bereich der Milchersatzprodukte kommt nach Einschätzung von Refardt und seinen Kolleg:innen auch der Faktor Geschmack weniger stark zum Tragen als bei Fleischersatzprodukten: „Verbraucher:innen greifen bewusst auf alternative, pflanzliche Milchersatzprodukte zurück“, heißt es dazu von der Nord LB. Und weiter: „Der Geschmack der Kuhmilch gleicht nicht dem Geschmack eines Hafer- oder Sojadrinks. Hier haben sich echte Neuprodukte etabliert. Entsprechend ist der Fleischbereich weniger Treiber der Nachfrage. Zwar werden immer wieder Produkte angeboten, die Fleischgeschmack imitieren, dennoch wurden an diesem Markt schon diverse Anbieter ‚vertrieben‘, weil sie geschmacklich nicht mithalten konnten oder die zusätzlichen Inhaltsstoffe auf Verbraucher:innen abschreckend wirken.“

Deckungsbeitrag entscheidet über Anbau

Inwieweit es für Landwirtinnen und Landwirte lohnenswert ist, auf den Trend der Fleisch- oder Milchersatzprodukte zurückzugreifen, betrachtet das Ernährunsgbanker-Team bei der Nord LB differenziert: Aus landwirtschaftlicher Sicht werde über die Anbauentscheidung auf Basis des Deckungsbeitrags je Hektar entschieden. Da die alternativen Pflanzen, also vor allem Hafer im Milchbereich oder Leguminosen bei Fleischersatz, entweder eine zu geringe Ertragsstabilität aufweisen wie bei der Erbse oder die Preissituation - wie bei Hafer nachteilig - ist, werde der Anbau durch die Landwirte nicht entsprechend forciert, heißt es dazu aus der Nord LB. Gleichwohl würden zum Beispiel Erbsen positive Eigenschaften wie den Vorfruchtwert besitzen, den es aus Sicht der Banker zu berücksichtigen gelte. Auch Hafer diene an einigen Standorten als gute Ergänzung in der Fruchtfolge.

„Um die Nachteile zum Beispiel des Eiweißpflanzenanbaus in Deutschland auszugleichen bedarf es daher zum Beispiel weiteren Züchtungserfolgen, um die Pflanzen an den jeweiligen Standort anzupassen und für Ertragsstabilität zu sorgen oder einer entsprechenden monetären Förderung“, bilanziert das Ernährungsbanker-Team.

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